Farewell, my love...

  • Corsin - Heebacha Valley - Mayer Estate
    irgendwann vor dem Aufbruch der "Doomhammer" nach Charmath


    Langsam senkte sich die Sonne über der Heebacha Valley, einer der malerischten Gegenden Corsins. Das goldrote Licht spiegelte sich von der Oberfläche des reissenden Heebacha Flusses wieder und tauchte das Tal in ein prachtvolles Farbenkleid.
    Obwohl in relativer Nähe zur Hauptstadt gelegen, herrschte in dieser Gegend zumeist Ruhe. Strikte Flugverbote und strenge Umweltvorschriften der Regierung, hatten den Flair dieses Ortes bewahrt und schattige Wälder, der prächtige Heebacha und majestätische Berge boten der Hochfinanz mit dem Bedürfnis nach Ruhe nicht nur ein traumhaftes Ambiente, sondern zudem Schutz vor neugierigen Blicken und kriminellen Machenschaften der Großstädter.


    Auch in dieser Abendstunde lag das Tal friedlich da, nur gelegentlich machte hier und da ein Tier mit einem Ruf auf sich aufmerksam. Der Wind wehte sanft durch die noch dichten Wipfel und nahm gelegentlich einige der rotbraunen Blätter mit auf die Reise - der Herbst zeichnete das Tal und bald schon würde die ansonsten so prachtvolle Fauna unter einer dicken Schneeschicht begraben sein und der Zeit der Freuden und des Genusses, würde eine Zeit der Kälte folgen und nur wer stark ist und vorgesorgt hat, würde den Winter überstehen.


    Doch etwas drohte den Frieden dieses Tales zu stören. Es war ein kleiner Gleiter, durch die Flugsperre gezwungen seinen Weg nur wenige Meter über dem Boden, einer angelegten Trasse entlang zu bestreiten. Ansonsten war weit und breit kein Gefährt auf dieser Route unterwegs, wie zumeist. Auch einige aufgeschreckte Vögel schienen ihren Protest über diesen störenden Lärm kundtun zu wollen, indem sie aus den nahen Bäumen mit lautem Kreischen davonstoben. Dabei erzeugte das kleine Gefährt nun wirklich kaum mehr Lärm als es die Vögel nun taten, denn es bewegte sich nur sehr langsam fort, ganz dem Wunsch seines Fahrers entsprechend.
    Richie hatte es nicht eilig sein Ziel zu erreichen, zum allerersten Mal freute er sich nicht darauf nach Hause zu kommen. Allerlei Gedanken begleiteten ihn, seit er von Flax aufgebrochen war und waren nur noch dichter geworden, als er in Arvena einen Gleiter des Konzerns seines Vaters bestiegen hatte, um sich auf den Weg zum Familienanwesen zu machen. Einige dieser Gedanken waren so erschreckend und krank, dass er manches Mal selbst davon zusammenzuckte, andere waren so trivial, dass er sich gerade deswegen daran festzuklammern suchte, doch auch sie verschwanden schnell wieder in dem Chaos aus Gedanken und Gefühlen, dass von ihm Besitz ergriffen hatte. Mal um mal hatte er den nahenden Moment durchdacht, immer wieder hatte er ihn hinausgeschoben, glaubte einen anderen Weg gefunden zu haben. Dieses Mal jedoch würde es ernst werden, an eine Umkehr war nun nicht mehr zu denken.


    Leere deinen Geist! Lass dich von deinem Streben nach Kraft und Stärke leiten! Spüre die Wut, die Wut darüber in deinem neuen Potential beschränkt zu werden! hallten immer wieder belehrende Stimmen in seinem Kopf. Die eine war die seines Meisters, die andere seine eigene.
    Eine letzte Kurve und schließlich lag es vor ihm, gebettet in den Schutz der Berge, das Anwesen der Familie Mayer, seiner Familie.
    Während der Gleiter die letzten Kilometer auf das Tor der Zufahrt hin zurücklegte, wanderte Richies Blick die lange Außentreppen entlang, die in die Hügelwand gemeißelt, den Aufweg von der Zufahrt hinauf in den Vorderhof darstellte. Sie würde ein schwerer Gang sein und ihn auf den Rest des Abends einstimmen. Vom Gleiterhangar aus den Turbolift zu nehmen, stand ihm heute nicht im Sinn.
    Zwar hatte er seinen Besuch nicht angekündigt aber natürlich erkannte ihn das Wachpersonal am Zufahrtstor auf Anhieb, auch wenn er eigentlich ein seltener Gast in diesem Haus war. Kurz darauf, war der Gleiter geparkt und Richie erklomm Stufe für Stufe der steinernen Treppe, bis er schließlich im begrünten Vorderhof vor dem Haupthaus des Anwesens stand. Ein letztes Mal drehte er sich um, weg von der schweren Bürde, die er auf sich laden würden müsse. Da lag es, sein geliebtes Heebacha Tal in einem trügerischen Frieden und als ob sie bereits vor Richie selbst wüsste, was der Abend bringen würde, als ob sie seinen inneren Konflikt verhöhnen wollte, malte die untergehende Sonne die passende Farbe darüber
    Blutrot...

  • Schließlich wandte Richie sich dem Haus zu, es lohnte nicht noch länger zu verweilen und aufkeimenden Gedanken und Zweifeln Raum zu geben. Während er über den Kiesweg auf das Hauptportal zuschritt und die kleinen Steinchen unter jedem seiner Schritte knirschten, dachte er darüber nach, wie er vorgehen sollte.
    Joanna, seine Verlobte, würde heute zweifelsfrei mit ihrem Vater zu Besuch sein, das hatte ihm ein Angestellter versichert, den Richie, um der "Überraschung" willen, zum Schweigen verpflichtet hatte. Oh sie alle würden überrascht sein, denn bislang wusste niemand in seiner Familie von Richies Wandel zum Dark Jedi. Für seine Verwandten war er noch immer Commodore der imperialen Navy und äußerlich ließ er momentan auch nicht auf anderes schließen, zumindest deuteten Jeans und einfaches Sweatshirt, die er trug, nicht unbedingt auf einen Ordenskrieger hin.
    Richies Blick fixierte das massive Hauptportal und während er die Klingel betätigte, flammte in ihm der Hoffnungsschimmer auf, dass Joanna vielleicht doch nicht kommen würde und er noch einmal um diese Sache herumkommen würde. Doch natürlich war dies nur Illusion, Wunschdenken, er hatte ihre Präsenz längst gespürt, eine warme, liebliche Präsenz, ganz anders als alles, was er bislang mit seinen neuen Kräften abgetastet hatte.


    Einer der Buttler der Familie öffnete die Tür vor seiner Nase und blickte ihm einen Moment lang verduzt in die Augen, seltsam entstellte Augen, die hier jedoch natürlich bestens bekannt waren. "Master Richard, welch unerwartete Freude. Hattet ihr eine angenehme Anreise?" fragte er seinen Herrn schließlich. Als dieser nur stumm abwinkte fügte der Buttler hinzu "die Familie diniert zur Zeit im Salon, ich werde euer Beigesellen der Küche melden, Herr". "Jaja...danke" murmelte Richie und stieg die rechte der beiden Rundtreppen in der Eingangshalle hinauf, bog in den rechten Korridor ein und befand sich nur noch einige Schritte vom Salon entfernt. Er wusste, dass es ihm nicht dienlich sein würde, wenn er jetzt nochmals innehalten würde und so legte er im Lauf die Hand auf den breiten Türflügel, drückte ihn nach innen auf und stand in einem geräumigen und stilvoll eingerichteten Esszimmer...vor seiner Familie.


    Alle Gespräche waren abgebrochen, für einen Moment herrschte Stille, beinahe unerträglich für Richie in dessen Situation. Sechs verblüffte Augenpaare mussterten den "Eindringling" und langsam ließ sich Begreifen von ihnen ablesen. Richies Schwester Rinoa war die Erste, die das unangenehme Schweigen brach, als sie von ihrem Stuhl aufsprang, auf Richie zulief und sich diesem um den Hals warf. "Rich! Was machst du denn hier? Schön, dass du da bist! Wie lange bleibst du? Lange?" prasselten mit hoffnungsvollem Blick die Fragen auf ihn ein. "Nur kurz...viel zu kurz" murmelte Richie kaum verständlich, während sich der Rest seiner Familie um ihn versammelte. Er hatte sie seit knapp 1 1/2 Jahren nicht mehr gesehen und das Letzte, was sie von ihm gehört hatten, waren seine kurzen Versicherungen, dass es ihm den Umständen entsprechend gut gehe, nachdem das Militär Richies Familie von dessen lebensgefährlicher Verletzung im Gêkhâreinsatz unterichtet hatte. Nachdem sich erst Leo und dann auch Mutter und Vater Rinoas Beispiel angeschlossen und Richie in die Arme geschlossen hatten, stand er plötzlich und irgendwie trotz allem unvorbereitet seiner Verlobten gegenüber. Joanna begrüßte ihn mit einem Kuss, der irgendwie lieblos wirkte und Richie fragte sich ob das allein an seiner Empfindung lag. Nach einigen weiteren ausgetauschten Floskeln im Stehen, setzte sich die Gesellschaft wieder um mit dem Abendessen fortzufahren. Auf die Fragen nach dem Militärdienst und damit zusammenhängenden Dingen, antwortete Richie nur ausweichend, dass es zur Zeit große Veränderungen geben würde und es nicht leicht sei, mit der Situation klarzukommen. Zugleich würde diese Aussage auch seine Familie beruhigen, die Richies distanziertes Verhalten auf Stress am Arbeitsplatz zurückführen würde. Und so nahmen die Gespräche bei Tisch hauptsächlich ohne Richies Beteiligung ihren weiteren Fortgang.


    Einige Minuten später, saßen alle in einem der Wohnzimmer des Anwesens, Richie in der Mitte eines Sofas, links von ihm Joanna und rechts seine kleine Schwester. Als er nach dieser langen Zeit nun Joanna wieder so bei sich hatte, nebst Rinoa, die die beiden leicht verträumt betrachtete, da wusste er, dass er es einfach nicht tun konnte, nicht hier. Es würde doch reichen, wenn die Bindungen anders gekappt werden würden und mit seiner Familie, sollte das wirklich noch nötig sein, würde er sich schon etwas einfallen lassen. Noch einige weitere Minuten so denkend, wandte er schließlich den Kopf seiner Verlobten zu ohne sie jedoch direkt anzusehen. "Weißt du Joanna, ich habe nachgedacht...der Dienst und alles...ich kann momentan kaum noch klar denken und bin gebunden an gewisse Dinge...ich...vielleicht sollten wir einfach eine Pause einlegen. Was sagst du dazu" fragte er zögernd und fügte in Gedanken hinzu und vielleicht wird sich das Problem in dieser Zeit ja auf die ein oder andere Art von selbst lösen. Für einen unterträglich langen Moment sprach keiner im Raum ein Wort, seine Familie musste vollkommen überrascht sein und Joanna? Joanna blickte ihn traurig an und schon wollte er sich abwenden, als seinen geschärften Sinnen klar wurde, dass es keine Traurigkeit war, die in ihrem Blick lag...es war etwas anderes...Schuldbewusstsein.
    Joanna tauschte einen zaghaften Blick mit ihrem Vater, dann sprach sie leise "Weißt du..." "Es gibt einen anderen oder?" warf Richie ein "So ist es doch..." Joanna begann zu schluchzen. "So ist es doch" wiederholte ihr Verlobter nun lauter. Joanna schluchzte. "SAG ES MIR!" brüllte Richie nun, der langsam die Fassung verlor. Sicherlich er hatte ja selbst eine Trennung vorgehabt, aber doch nur aus Rücksicht und weil er sie liebte und was musste er nun erfahren? Ihre warmen Worte die ganze Zeit über, alle Hoffnung, alle Liebe, sollte eine Lüge gewesen sein? "d...du warst doch so oft weg und ich war so einsam" mittlerweilte war Joanna in Tränen ausgebrochen. "Und Milo war immer da um mich zu trösten" "Milo?" fragte Richie. "Ja, Milo Trench, mein Collegefreund, er wohnt jetzt wieder in der Gegend, ach Rich...wir waren damals auf dem College schon ein Paar und nun...am Anfang...es war ja nur...und dann" Kalte, bittere Wut brodelte in Richie und nahm stetig zu, mit jedem neuen Wort, mit jedem neuen Schluchzen. Mit bebender und doch leiser Stimme flüsterte er beinahe "habt...habt ihr...?" Joanna senkte nur den Blick, doch das war Richie Antwort genug. Er war nun vom Sofa aufgesprungen. "Wie es mir geht hast du gefragt, dass du mich vermisst, wie toll es mit mir ist und die ganze Zeit...die GANZE ZEIT HAST DU MIESES FLITTCHEN MICH HIER BETROGEN" Richies Schnittwundennarbe auf der Stirn begann leicht zuschmerzen, als sich tiefe Zornesfalten darüber zogen. "aber ich...aber du hast doch selbst gesagt..." stammelte Joanna.


    Und dann war der Moment gekommen an dem alle alternativen Pläne, alle Vorsicht und alle Tarnung in einer einzigen Woge der Wut hinweggefegt wurden. Hätte Richie in diesem Moment klar denken können, er hätte sich wohl gefragt, ob Nick, sein Meister, all dies vorausgesehen hatte, seinen inneren Kampf, seine jämmerlichen Bemühungen einen anderen Weg zu finden...nur um am Ende dann doch an seinem eigenen Wesen zu scheitern und ihn, Lord Krason, rechtbehalten zu lassen.
    Nun erhob sich auch Joanna vom Sofa, im Gegensatz zu Richie jedoch unfreiwillig. Mit einem Ruck wurde sie hochgerissen und hing nun vor dem Dark Jedi in der Luft, dessen zornflammender Blick aus gleichsam kalten Augen auf ihr brannte. Völlig aus der Fassung gebracht und nicht wissend, was mit ihr im Augenblick geschah, schrie Joanna aus Leibeskräften und zappelte wie wild, was jedoch natürlich keine Lockerung ihres unsichtbaren Griffs bewirkte. "Wie kannst du es wagen mich zu belügen und zu betrügen...du hast mich und alles was wir hatten also einfach so weggeworfen? Ich werde dir zeigen, wie verletzend es sein kann, wenn man weggeworfen wird" mit einem unwirklichen Lächeln wischte der zorngelenkte Richie eine Hand vor Joanna vorrüber, die daraufhin durch den Raum geschleudert wurde und an die Wand prallte. Ein unnatürliches Knacken begleitete den Aufprall, das nicht von der Wand zu kommen schien. Kleine Risse zogen sich nun über die tapezierte Wand und ein wenig Staub rieselte von der Decke herab, ein Tischchen war umgefallen und die daraufstehende Vase zu Bruch gegangen, doch niemand schenkte diesen Nebensächlichkeiten seine Aufmerksamkeit. Die entsetzen Blicke der Familienmitglieder waren auf Joanna und den rassenden Richie gerichtet, der Joanna nun wie eine Spielzeugpuppe durch den Raum schleuderte, stets gefolgt von einem heftigen Aufprall an einer der vier Wände, der den Anwesenden nicht nur aufgrund der Erschütterung der Statik durch den Leib ging.
    "Aaaaaah, hör auf, hör auf, hör auf. Bitte, hör auf, Rich"
    so war Rinoa schließlich die Erste, die sich aus der Passivität des entsetzten Zusehens löste. Sie stand heulend bei ihrem Bruder und trommelte ohne große Krafteinwirkung mit ihren Fäusten auf seine Brust ein. Ein schneller Streich seiner Hand, diesmal jedoch ohne Einwirkung der Macht, sondern mit direktem Kontakt, fegte seine kleine Schwester schließlich zu Boden, wo sie sich heulend die Wange hielt und Richie mit unendlich traurigen Augen fassungslos anstarrte. Dieser Blick letztlich war es, der etwas tief in Richie, unter allem Zorn berührte und ihn endlich innehalten ließ. Seine Hand sank herab und so tat es auch Joanna, die mit einem letzten dumpfen Hall auf den blutüberströmten Teppichboden des Wohnzimmers herabfiel und reglos liegen blieb. Vermutlich war sie schon vor vielen Aufprällen verstorben.
    Richie wandte sich unvermittelt zur Tür und ließ seine einstige Liebe, die er grausam ermordert hatte und seine verstörte Familie einfach so zurück. Der Wille seines Meisters war erfüllt worden, beides würde schon bald zu Richies Vergangenheit werden, zum Teil eines Lebens, das der mächtige Dunkle Orden ohne zu Fragen eingefordert und getilgt hatte. Richie erlaubte sich gar nicht erst jetzt über das Geschehene nachzudenken. Er hielt seinen Zorn aufrecht und flüchtete sich in ein Gefühl der Stärke und Erhabenheit, während er das Haupthaus hinter sich zurückließ. Es war vollbracht, zumindest beinahe...Joanna hatte eine weitere Figur in sein tödliches Spiel eingeführt.


    Die Sonne war mittlerweile längst untergegangen. Eine kalte, tiefdunkle Nacht war über dem Heebacha Tal hereingebrochen und der eisige Wind war ein Vorbote des trostlosen Winters, der hier bald herrschen sollte.
    Kurz darauf entfernte sich ein Gleiter mit rasanter Geschwindigkeit vom Anwesen und schoss über die verlassene Trasse. Eine einsame Schneeflocke landete auf der Frontscheibe, gleich einer kristallinen Träne, die über dieses Tal ausgeweint wurde. Dann fegte sie der Wischer für immer davon.
    Im Gleiter selbst war alles dunkel, nur das Navigationssystem lag in trüber Hintergrundbeleuchtung, die schwach zwei Zeilen erkennbar machte:


    Dr. Milo Trench
    Adultery Lane 43, Arvena City

  • Richies Gleiter ließ die hohen Bürotürme des Geschäfts- und Handelsviertels Arvenas hinter sich und überflog nun die Vergnügungsmeile. Trotz der Tatsache, dass die Nacht bereits hereingebrochen war, waren zahlreiche Bürofenster noch mit Licht erfüllt gewesen. Die Profitgier so manch größeren Konzerns, konnte eben keine Rücksicht auf die Bedürfnisse seiner Arbeitssklaven nehmen. War das im Familienkonzern ebenso? Eigentlich unwichtig, mehr denn je gehörte dies zu einem anderen Leben, von dem er sich schon vor langer Zeit losgesagt hatte und nun war jeder Gedanke an eine Rückkehr zu diesem anderen Leben ohnehin unmöglich geworden. Bedauern würde es Richie nicht, das hatte er schließlich hier zu erreichen gesucht, Freiheit von alten Zwängen und Bindungen, Freiheit für den Fluss der Macht. Natürlich war er nicht wirklich frei geworden. Der Einfluss, den sein Meister auf ihn ausgeübt hatte, hatte ihn beispielsweise schließlich erst hier hergeführt und auch die Dunkle Seite hatte vor einigen Minuten eindrucksvoll bewiesen, dass sie den jungen Novizen mehr und mehr beherrschte, wenngleich sie auch überraschenderweise einen Dämpfer durch dessen Schwester Rinoa erfahren hatte. Doch das alles erschloss sich Richie zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich, er war noch immer getrieben von Hass und erfüllt von einer neuen Stufe von Macht und Stärke, die verlockend in allen Fasern seines Körpers kribbelte und süchtig nach mehr machte. Bald schon würde sie zum zweiten Mal in dieser Nacht zum Einsatz kommen und den Hunger nach Genugtuung und Blut befriedigen, getarnt unter dem Deckmantel, endgültig mit der Vergangenheit abzuschließen.
    Richie blickte angewidert auf die Menschen hinab, die sich trotz der Kälte über die Verbindungsstege der Vergnügungsmeile bewegten, um dort ihrer Sucht nach Alkohol, Drogen und Spiel zu fröhnen. Unwürdige Lebewesen, die diesen Planeten verpesteten, was sich allein schon darin zeigte, dass sie anderer bedurften um sich zu schützen, Stärkeren, Mutigeren. Einige Kilometer weiter, arbeiteten ihre Artgenossen wenigstens noch, leisteten einen Beitrag, rechtfertigten ihre Existenz...nicht so hier.
    Eigentlich dachte Richie nicht wirklich so...noch nicht. Doch momentan wog der Zorn in ihm einfach zu stark und so fiel das Gedankengut, das Nick ihm oft eingab, auf fruchtbaren Boden und keimte gefördert durch seine finsteren Gedanken zu einem dichten Geflecht der Verbitterung und Abscheu.


    Schließlich fielen auch die grellen Neonlichter und Werbetafeln, der Lärm und der Gestank einer belebten Großstadt langsam zurück. Die Häuserreihen lichteten sich und grüne Flecken mischten sich in die ansonsten graue Masse. Adultery Lane lag in einem begrünten, abgeschiedenen Viertel für die Besserverdienenden, nicht die Hochfinanz nein, doch ein Großteil der Bevölkerung würde sicherlich dennoch mit Gefallen und Neid auf die Villen dieser Gegend hinabblicken. Ob bei der Wahl dieses Namens eine besondere Bedeutung beabsichtigt war, erschloss sich Richie nicht. Jedoch kannte er eine fremde Sprache, die diese Straße sehr gut mit dem Grund seines ungebetenen Besuchs in Verbindung brachte. Welch Ironie.
    Kurz darauf senkte sich der Gleiter vor Haus Nr. 43, ein widerlich überladener Bau, der auf eine krankhafte Geltungssucht seines Besitzers schließen ließ. Ein pompöses Gittertor versperrte den Weg zur Auffahrt, an das hohe Hecken anschlossen, aus denen monoton das Summen eines elektrisierten Zaunes zu vernehmen war. Richies Sweatshirt flatterte kaum im Wind, als er dieses "Bollwerk" mit einem Sprung aus dem Stand überflog. Natürlich hätte er auch direkt im Garten landen können, doch dies hätte mit Sicherheit sofort die Alarmsensoren ausgelöst und möglicherweise wäre Richies Gleiter beschossen worden und er verspürte durchaus nicht die Lust, sich ein anderes Gefährt für die baldige Abreise besorgen zu müssen. Dumpf setzten seine Füße auf der Einfahrt hinter dem Tor auf und erhoben sich ohne Verweilen erneut von dort. Einige weite Sprünge später, stand der zornerfüllte Richie bereits vor der massiven Eingangstür. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch dem prachtvollen Fensterbogen, der direkt darüber lag. Die zerbrechliche Zierde, mit der Milo sein Haus ausgestattet hatte, lud nun seinen Untergang geradezu zum Eintreten ein. Einmal mehr erhob sich Richie in die Luft, stieß sich an einem Vorsprung über der Tür erneut ab und flog auf den Fensterbogen zu. Eine Hand hob sich, verdichtete Luft prallte auf Glas und zwischen klirrenden Splittern eines einstmals kunstvollen Fensters, landete Richie auf dem Mittelteil einer Treppe im Inneren der Villa. Schrillender Alarm brach los und versetzte die nächtliche Stille dieser ruhigen Gegend in helle Aufregung. Tiere der Nachbarschaft fielen in das Geheul der Alarmsirenen ein und selbst in dunklen Nachbarhäusern, entzündeten sich nach und nach einige Lichter. Unweit von Richie sprang eine Tür auf und ein Mann in Schlafkleidung erschien verwirrt im Flur. Als er einige Schritte zur Treppe hin gegangen war und Richie bemerkte, wollte er den Mund öffnen, doch in diesem Moment wurde er von den Füßen gerissen und krachte mit verzerrtem Schrei durch das Treppengeländer. Der Schrei erstarb rasch als der Angestellte verdreht auf dem Marmorboden der Eingangshalle aufschlug.
    Richie setzte seinen Weg unbekümmert fort. Der Alarm heulte weiterhin durch die Gänge, doch sonst rührte sich nichts mehr. Nun die Villa war zwar prunkvoll, doch nicht allzu groß. Entweder war der tote Mann auf dem Marmorboden der einzige residierende Angestellte des Hauses gewesen oder aber die anderen hatten zu viel Furcht um der Ursache der nächtlichen Ruhestörung nachzugehen. Richie streckte prüfend seine "Machtfühler" aus und tatsächlich schien nur eine andere Person im Haus anwesend zu sein, aus deren aufgewühltem Gefühlssturm er vorallem Verwirrung und nackte Angst zurückgeworfen bekam. Grimmig lächelnd folgte er Gang und Tür in Richtung dieses Lebenszeichens. "So ist es recht, erzittere vor deinem Schicksal, kleine Made" flüsterte Richie in die Leere des Flurs und die Furcht seines Zieles nährte seinen Entschlossenheit nur noch weiter.


    Eine Holztür krachte lautstark aus ihren Angeln und gab den Blick auf ein überfrachtetes Schlafzimmer frei. Neben einem großen Himmelbett stand ein recht ansehlicher Mann mit kurzem blondem Haar und starrte Richie mit weiten, angsterfüllten Augen an. Unweigerlich fragte Richie sich ob die beiden hier in diesem Bett...und seine Wut loderte in seinen glühenden Augen auf. Milo zuckte zusammen als ob ein Funken der Zornesglut in Richies Augen übergesprungen wäre und ihn versengt hätte. Richie hatte diesen Mann niemals zuvor gesehen oder seinen Namen gekannt, doch in der schlotternden Gestalt vor ihm, war entfernt die stolze Ausstrahlung des Porträts zu erkennen, das er während der Fahrt hierher auf der Homepage der Privatpraxis von Dr. Milo Trench gefunden hatte.
    "Verschwinden sie aus meinem Haus...ich rufe den Sicherheitsdienst" brachte Milo mit aller Bestimmtheit hervor, die er noch aufzubringen vermochte. "Heute Nacht steht mir der Sinn nicht nach weiteren Spielchen. Aber wenn ihr unbedingt die Schuld am Tod weiterer Menschen auf euch laden wollt..." erwiderte Richie gefühlslos. Einen Moment verharrte Milo regungslos, dann griff er blitzartig zu einer alten Klinge an der Wand, die trotz ihrer Zierfunktion noch gut geschärft zu sein schien. "Geht weg, los sofort, oder ich schlitze euch auf" presste der Doktor zwischen seinen Lippen hervor, doch die vor Furcht gebrochene Stimme unterstützte die Drohung mit der vorgehaltenen Waffe nur unwesentlich. "Ihr solltet euer Spielzeugmesser fallen lassen bevor ihr euch noch selbst verletzt" entgegnete Richie mit einem süffisanten Lächeln. Zwar spürte der Dark Jedi die Entschlossenheit in seinem Gegenüber wachsen, doch kam der folgende Hieb trotz allem nur halbherzig und ungezielt, sodass Richie mühelos zurückwich. "Genug...ich habe keinen Nerv für diesen Unsinn" entfuhr es Richie und als Milo die Klinge ein weiteres Mal hob, wurde sie ihm aus der Hand gerissen und fiel klirrend zu Boden, der Doktor selbst wurde an die Wand hinter ihm gedrückt. Dort in der Luft hängend blickte er noch verwirrter und am ganzen Leib zitternd auf Richie herab und stammelte mit jämmerlich weinerlichen Stimme "Verschont mich bitte...ich gebe euch Geld...viel Geld...jede Menge Credits" Richie verdrehte entnervt die Augen "Aber Doktor. Glaubt ihr wirklich, dass es mir um Geld geht?" Doch dieser gab nicht auf "Dann kein Geld...ich, ich habe Beziehungen. Ich kann euch alles besorgen. Bitte, habt Mitleid. Ich gebe euch was ihr wollt" Richie lachte kalt "Oh ich weiß, das werdet ihr, Doktor...das werdet ihr"
    "Wer seid ihr eigentlich" keuchte Milo. "Ich bin das Ende eures erbärmlichen Lebenstils. Die Strafe für eure lustgetriebenen Dummheiten" Richie war nun ganz nahe an Milo herangetreten, den er wieder zu Boden hatte sinken lassen. Nur noch wenige Zentimeter von dessen Gesicht entfernt, hauchte er ihm zu "Ich bin dein Tod, Milo Trench, du widerlicher Drecksack" Die Bedeutungsschwere dieser Worte schlug hart bei Milo ein, jede Aussicht auf Überzeugung und Bestechung war damit verspielt und er musste sich nun damit abfinden, dass das gefürchtete Schicksal nicht mehr abzuwenden war. "Warum ich?" brachte er beinahe schon heulend heraus. Doch Richie war nicht bereit ihm diese Gewissheit im Angesicht seines Todes zu gönnen. Als Milo den Kopf hob und aufschaute, blickte er in Richies lächelndes Gesicht, doch es war kein wirkliches Lächeln, eher als ob dieser eine fratzenartige Maske aufgesetzt hätte. "Darüber dürft ihr im Tod nachdenken" flüsterte Richie und fügte dann hinzu "sofern das möglich ist".
    Dann wurde Milo erneut hochgehoben und an die Wand gedrückt, einige Schritte von ihm entfernt begann die spitze Klinge auf dem Boden zu zittern und hob sich dann ebenfalls langsam in die Luft. Gleich der Kraft, die er in die folgende Aktion legte, brach die angestaute Wut aus ihm heraus, überflutete sein Gesicht und legte es in tiefe Zornesfalten. Die Klinge vollführte einen Bogen und sauste dann auf den Doktor zu, wurde durch seinen Bauchnabel getrieben und pfählte ihn an die Wand, vor der er gehangen hatte. Das alles ging so schnell, dass er noch nicht einmal schreien konnte. Aus dem offenen Mund rann ein schwaches rotes Rinnsal, dann wurde sein Blick leer und der Oberkörper begann vornüber zu sacken, doch die Klinge war so tief in die stabile Wand gedrungen, dass er schließlich vornübergeklappt hängen blieb. Letztlich war der nimmersatte Schönheitschirurg unter sein eigenes Messer gekommen und Richie blickte zufrieden auf die gelungene Operation. Gierig sog er die Atmosphäre der schlichten Schönheit des Todes auf.


    Noch eine ganze Weile stand er dort um sein Werk zu betrachten, das noch immer penetrante Sirren des Alarms, den ja niemand abgeschaltet hatte, ausgeblendet, dann wandte er sich ab und verließ das Haus wie er gekommen war. Als er nach einem beherzten Sprung bei seinem Gleiter aufsetzte, wartete dort schon ein Gleiter der örtlichen Sicherheitskräfte, neben dem zwei Einsatzbeamte standen, die eben noch seinen Gleiter überprüft hatten. Einen Moment lang starrten sie verdutzt auf den Kerl, der eben aus der Luft gefallen war, dann rissen sie die Blaster hoch und richteten sie auf ihn "Die Hände hinter den Kopf. Sie sind verhaftet!" brüllte einer der Beamten. Richie drehte sich mit hinter den Kopf gelegten Händen langsam zu ihnen um und lächelte "Oh, ich fürchte nicht, meine Herren" Plötzlich ließ er seine Hände fallen und fegte die beiden Sicherheitskräfte mit einem Stoß gegen ihren Gleiter. Einer der, den Händen entglittenen Blastern, landete in seiner Hand und eine tödliche Salve entlud sich in die überraschten Beamten. Während er den Blaster fallen ließ, besah er sich fluchend dieses notwendige Opfer. Sicherlich, außerhalb militärischer Einsätze unterstand er allein der Gerichtsbarkeit des Ordens, doch wollte er diese bürokratischen Zwistigkeiten umgehen. Ganz nebenbei verlangte es ihm ganz und gar nicht danach, seine Zeit auf einem örtlichen Revier zu vertrödeln, bis diese Sache geklärt worden wäre.
    Ohne lange zu überlegen, setzte er sich ans Steuer seines Gleiters und ließ den Schauplatz seines Wirkens hinter sich zurück. Diese Gegner waren zwar keine Gefahr für ihn gewesen, aber er war durchaus noch nicht so weit, dass er es mit einer ganzen Schar zugleich aufnehmen konnte, also war es besser zu verschwinden solange dies noch möglich war.


    Der Transporter an Bord dessen Richie vor einigen Stunden bereits auf Corsin angekommen war, ließ diesen Planeten nun bereits wieder unter sich zurück. Richie war ohne weitere Zwischenfälle beim Raumhafen angekommen und hatte er bei seiner Anreise noch keinen Wunsch zur Eile verspürt, wollte er nun nur noch weg von diesem Planeten, der die längste Zeit seine Heimat gewesen sein dürfte. Nun war er auf dem Rückweg nach Manaan, seinem Meister hatte er bereits vor dem Start eine Nachricht zukommen lassen: "Es ist vollbracht, mein Lord".
    Ob seine Tat den Einsatz wert war, musste die Zukunft zeigen, für den Moment fühlte er sich jedenfalls stärker, sogar wirklich irgendwie freier, vor allem aber fühlte er sich gut.
    Durch ein Sichtfenster blickte Richie zum letzten Mal auf Corsin hinab und während sich die Umgebung zu den gewohnten Schlieren des Hyperraumfluges zu verziehen begann, hauchte er letzte Worte auf den Planeten hinunter:
    "Farewell, my love..."