Offiziersmesse | ZI 220220 n.E., gegen Mittag
Obwohl es Mittagszeit war und die Schichtwechsel gerade reibungslos abliefen, war es in der Offiziersmesse recht leer, lediglich zwei Navigatoren saßen am anderen Ende der ausladenden Offiziersmesse und unterhielten sich in gedämpfter Tonlage. Als sich das Schott der Messe öffnete und der in seine schwarze Sturmtruppenuniform gekleidete Kommandant des 214. Sturmtruppen Regiments eintrat, hob Jolan seine Hand, um auf sich aufmerksam zu machen. „Captain Rendar.“, begrüßte der mittelgroße, brünette Mann den sitzenden Offizier und zog den Stuhl gegenüber des Schiffskommandanten zurück, um sich auf diesem niederzulassen. „Colonel Basout, danke dass Sie sich die Zeit genommen haben.“ Jolan musterte den Offizier einen Moment lang, welcher sich etwas zurücklehnte und seine Mütze abnahm und auf den Tisch legte. Jolan hatte – seit er Basout kennengelernt hatte – eine hohe Meinung des Offiziers. Der Colonel war ein Veteran, hatte sich seine Sporen vor langer Zeit im Dienst für den Imperator verdient und war ein umgänglicher Zeitgenosse der sich nicht zu sehr in die Angelegenheiten des Schiffes einzumischen versuchte und dennoch ein wachsames Auge auf die Offiziere und Mannschaft der Erinyen hatte. In Zeiten wie diesen, in Zeiten in denen man noch wachsamer auf seine Kameraden und Kameradinnen schauen musste, da immer die Chance bestand das es Verräter gab, war es für Jolan ein äußerst beruhigendes Gefühl zu wissen, dass Basouts Regiment aus Sturmtruppen für die Sicherheit des Schiffes sorgen würden. Noch bevor Jolan etwas sagen konnte, trat ein in eine weiße Uniform gekleideter Crewman an den Tisch der beiden. „Sirs.“ Er reichte den beiden einen Datenblock auf welchem die zur Auswahl stehenden Menüs des Tages angezeigt wurden und nachdem sich die beiden Offiziere für eines entschieden hatten, verschwand der junge Soldat wieder im Küchenbereich.
„Nun Captain, Sie haben mich sicherlich nicht zum Essen eingeladen weil Sie sich bei mir beliebt machen wollen.“, entgegnete Basout mit seinem typischen Grinsen, bei dem man sich nie sicher sein konnte wie er es genau meinte.
„Das ist korrekt.“
„Na dann schießen Sie mal los.“
„Wie Sie sicherlich ohne jeden Zweifel wissen, gibt es immer mehr Loyalitätsprobleme innerhalb des Imperiums. Sie wissen davon sogar vermutlich mehr als ich… Jedenfalls fürchte ich, dass die Verräter ihre Klauen bis auf dieses Schiff ausgedehnt haben. Ich habe bisher noch keine konkreten Beweise, aber ich fürchte, dass es Personal geben könnte, dass ebenfalls durch die Propaganda der Verräter kompromittiert ist.“
Basout lauschte Jolan nachdenklich und nickte hin und wieder. „Sie liegen richtig Captain. Wir sind seit der Desertation einiger Truppenteile in erhöhter Bereitschaft und beobachten das Geschehen aufmerksam. Ich werde nicht in die Details meiner Befehl vom Oberkommando gehen, jedoch kann ich Ihnen folgendes sagen: eine Desertation dieses Schiffes oder einzelner Truppenteile werde ich nicht zulassen.“
„Das habe ich erwartet und genau darauf baue ich. Ich habe ein vertrauenswürdiges Mitglied der Mannschaft das über hervorragende Fähigkeiten als Analyst dazu aufgefordert ein Programm zu entwerfen, das sämtliche eingehende und ausgehende Kommunikation filtert und nach bestimmten Stichworten oder Auffälligkeiten suchen soll. Ziel soll es sein auf diese Art und Weise kompromittierendes Material zu sammeln und betroffene Mannschaftsmitglieder sofort inhaftieren zu können.“
„Sie hören die Kommunikation ab? Weiß Admiral Kennon etwas davon?“
Jolan schüttelte leicht mit dem Kopf und ein leichtes Grinsen zeigte sich auf Basouts Lippen. „Ich hätte nie gedacht, dass Sie derart hinterlistig sein können Rendar.“
„Ich tue das lediglich, um dieses Schiff und die Crew zu schützen. Sie, Lieutenant Junior Grade Richards und ich sind die einzigen Personen, die davon wissen. Je kleiner der Zirkel ist, desto besser.“
„Keine Sorge Captain, wir Sturmtruppen sind recht verschwiegen. Ich werde nichts dergleichen ausplaudern. Sollten Sie Informationen haben, kommen Sie zu mir und wir sichten sie gemeinsam, ehe ich entsprechend reagiere.“
„Ich wusste ich kann auf Sie zählen.“
„Alles für den Imperator und das Imperium.“, sagte Basout und setzte sich aufrecht hin, da gerade in diesem Moment das Essen gebracht wurde. Alles für das Imperium…, dachte Jolan still und begann dann zu essen.
Brücke der Erinyen | ZI 280220 n.E., Vormittags
Die Nacht über hatte Jolan kaum ein Auge zugetan. Die Situation war eindeutig eskaliert und er hätte nie damit gerechnet, dass Admiral Kennon dazu fähig gewesen wäre, eine Desertation überhaupt in Betracht zu ziehen. Nichtsdestotrotz wies im Moment alles auf eine versuchte Desertation hin und bis Colonel Basout seine Untersuchung abgeschlossen hatte, würde sie in der Brigg der Erinyen verbleiben. Wenn es nach Jolan gegangen wäre, hätte sie auch in ihrem Quartier unter Arrest gestellt werden können, doch sowohl Colonel Basout, als auch Admiral McCallister hatten darauf bestanden. Der Captain wandte seinen Blick kurz über die Schulter, fixierte den im hinteren Teil der Brücke stehenden McCallister einen Moment lang, ehe er den Blick wieder auf das entfernte Asteroidenfeld richtete, dem sich die Erinyen langsam näherte. Er hatte noch nie große Sympathie für Rear Admiral McCallister empfunden. Bei jeder Gelegenheit, bei welcher er ihm begegnet war, hatte McCallister einen opportunistischen Eindruck gemacht, so als wolle er in jedem Moment den Dolch in den Rücken der Person stechen, die ihm gerade im Weg war. Es wunderte Jolan also in keiner Weise, dass McCallister vorgeschlagen hatte sie sofort an das Oberkommando zu übergeben. Ihm gefiel die Rolle als neuer Geschwaderkommandeur, selbst wenn es im Moment nur eine kommissarische Stellung war, doch er machte keinen Hehl aus seiner Begeisterung. Dies war vermutlich noch ein Grund, weshalb Jolan dermaßen angewidert war. Er war keineswegs stolz darauf, dass er die Frau seines ehemaligen Föderers inhaftiert hatte, doch welche Wahl hatte er schon?
Er hätte natürlich die emotionale Bindung oder die Freundschaft über seinen Treueeid, über die Loyalität zum Imperium stellen können, doch dann wäre er ebenso im Fadenkreuz der imperialen Behörden gewesen, wie die übrigen Offiziere des Schiffes. Falls sie nicht belastet wurde, dann würde sie ohne jeden Zweifel ohne Schaden davonkommen, falls jedoch nicht… Jolan schüttelte kaum merklich seinen Kopf, starrte sein Spiegelbild im großen Panoramafenster einen Moment lang an und atmete tief durch. Was dann? Dann würde sie vermutlich exekutiert werden. Hatte er ihr Vertrauen missbraucht? Hatte er sie etwa verraten? Für einen kurzen Moment runzelte Jolan die Stirn, schüttelte dann wieder leicht den Kopf. Nein. Er hatte sie nicht verraten, denn sie wusste das Jolan jemand war, der immer äußerst Pflichtbewusst war und an dessen Loyalität nicht gerüttelt werden konnte. Als damals Teile der Führungscrew der Destructor desertiert waren, um den abtrünnigen Ssi-Ruuk zu helfen, war er ebenfalls zurückgeblieben weil er nicht hatte desertieren können. Vielleicht machte ihn das zu einem schlechten Menschen, doch Jolan sah es nicht so. Vielleicht lag er damit falsch, doch wer konnte ihm diese Frage schon beantworten?
Büro des Kommandanten | ZI 280220 n.E., früher Nachmittag
Archary Basout war sein ganzes Leben lang Soldat der imperialen Streitkräfte und hatte die meiste Zeit als Sturmtruppe gedient. In der Zeit, in welcher er sich hochgedient hatte, waren viele Stationen an ihm vorbeigezogen, diverse Raumschiffe auf denen er stationiert war, diverse Kommandanten die eine wichtige Rolle neben ihm gespielt hatten. Der Einsatz auf der Erinyen war wieder nur eine dieser Stationen, ein weiterer Eintrag in seiner Dienstakte. Er verstand seine Rolle als Kommandant einer fast 2500 Mann starken Einheit aus Sturmtruppen, denn letztlich waren er und seine Männer die letzte Barriere zwischen der Loyalität gegenüber des Imperators und dem Verrat eben dessen. Wenn nicht die Sturmtruppen die Loyalität der Schiffskommandanten sicherstellten und dafür sorgen konnten, dass desertierende oder überlaufende Schiffe wieder in die Kontrolle seiner Majestät kamen, wer sollte es dann tun? Er hatte normalerweise Respekt für Offiziere der Navy, gestattete ihnen ihr Kommando so zu führen wie sie es für richtig halten, doch er hasste es, wenn er nicht mit dem gleichen Respekt behandelt wurde und vor allem hasste er es, wenn seine Autorität untergraben wurde. In Bezug auf die Auslegung von Befehlen des Imperators war er die letzte Instanz die sich direkt auf diesem Schiff befand und nicht erst via Subraumkommunikation konsultiert werden musste. Doch Rear Admiral McCallister schien der Überzeugung zu sein, dass er über der Autorität des Sturmtruppenoffiziers stand und McCallister täuschte sich in diesem Punkt gewaltig.
Als er davon erfahren hatte, dass McCallister die Dreistigkeit besessen hatte, einen Subraumsender in die Arrestzelle Admiral Kennons zu bringen, war er explodiert. Unverzüglich hatte er einen Termin mit dem Admiral vereinbart und war in Richtung der Brücke aufgebrochen, wo sich McCallister in sein Büro zurückgezogen hatte und sich seinen Aufgaben widmete. Jetzt da er vor dem Schreibtisch des Admirals stand, einer Person die scheinbar wenig Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem schwarzuniformierten Colonel hatte, musste Archay Basout all die Trainingseinheiten und seine gesamte Disziplin aufwenden, um nicht handgreiflich zu werden. Er hatte allen Grund dazu. McCallister hatte seine Kompetenzen überschritten und Basout würde sich dies nicht gefallen lassen.
„Was kann ich für Sie tun, Colonel?“, fragte McCallister hörbar desinteressiert.
„Ist es korrekt, dass Sie einen Subraumsender in die Arrestzelle von Admiral Kennon gebracht und ihr ermöglicht haben, Nachrichten zu versenden?“
„Korrekt.“
„Waren Sie während der Gespräche anwesend?“
„Ja, aber was geht Sie das an?“
„Es geht mich alles an!“, zischte Basout und machte einen Schritt in Richtung des Admirals. Allein die Tatsache das McCallister keinerlei Interesse an der ganzen Angelegenheit zu haben schien, ließ ihn wütend werden. Mit verengten Augen musterte er den Admiral und versuchte dessen Motive zu verstehen.
„Mit wem hat Sie Kontakt gehabt.“
„Familienmitgliedern, Admiral Bradly…“
„Admiral Bradly?“, wiederholte Basout und starrte McCallister an.
„Ja, Admiral Bradly. Ist das ein Problem?“
„Natürlich ist das ein Problem, Admiral! Sie sabotieren meine Untersuchungen und ermöglichen der Gefangenen Kontakt zu anderen Personen aufzunehmen! Bis meine Untersuchung abgeschlossen ist, hätte Sie mit niemandem in Kontakt treten dürfen, außer es hätte meine ausdrückliche Erlaubnis gegeben!“
„Colonel, ich denke Sie übertreten gerade Ihre Kompetenzen. Ich bin der Geschwaderkommandeur und Sie haben sich meinen Befehlen zu beugen.“
Archay schwieg einen Moment und atmete tief durch. „Admiral McCallister, ich glaube Sie verstehen da etwas falsch.“ Basout beugte sich etwas vor und blickte McCallister in die Augen. „Ich bin die Hand des Imperators auf diesem Schiff. Ich unterstehe dem Imperator höchst persönlich und nehme von Ihnen keine Befehle entgegen. Ich soll mit Ihnen Kooperieren, ja, aber ich bin nicht dazu gezwungen mich an Ihre Anweisungen zu halten. Wenn ich Ihnen jedoch Befehle sich von der Gefangenen fernzuhalten, da Sie sich nun im Gewahrsam des Stormtrooper Corps befindet, dann ist das keine Empfehlung, sondern etwas an das Sie sich halten müssen, Admiral hin oder her. Sollten Sie meine Ermittlungen auch nur noch ein einziges Mal behindern, beeinflussen oder sich in diese Einmischen, dann werde ich dafür Sorgen das Sie als Verräter gebrandmarkt und standrechtlich erschossen werden. Habe ich mich klar ausgedrückt?“
Basout starrt McCallister mit einem ernsten Gesichtsausdruck an, der keinerlei Interpretationsspielraum ließ. Selbstverständlich hatte er nichts gegen McCallister in der Hand, jedoch war es durchaus im Bereich des Möglichen, dass er McCallisters Leichen finden und gegen ihn einsetzen konnte. Und wenn dies nicht der Fall war, konnten Beweise ganz einfach… entstehen. Der Sturmtruppenoffizier meinte diese Äußerungen absolut ernst. Es war besser für McCallister, wenn er sich aus den Ermittlungen heraushielt und ihn einfach machen ließ, alles andere wäre nur Nachteilig für ihn. Die Nachricht schien jedenfalls angekommen und ohne eine Antwort des Admirals abzuwarten, verließ der Sturmtruppenoffizier das Büro des Kommandanten und machte sich auf den Weg zu seinem eigenen Büro. Er musste schließlich herausfinden ob man Admiral Kennon Desertation oder Verrat vorwerfen konnte, oder ob ihre Handlung noch im Rahmen des imperialen Rechts lagen.