Laboratorien (MMC Obscuria)
ZI 270427 n.E.
"Sie hatten mich hierher beordert - Petty Officer?" fragte die Stimme einer jungen, selbstbewussten Frau in ein chaotisches Labor hinein. Neben den noch recht ordentlich positionierten technischen Geräten stapelten sich bis unter die Decke etikettierte Kisten. Manchmal mit sauberer Handschrift geführte Bemerkungen über den Inhalt, den sie verwahrten und manchmal wilde Kritzeleien aus denen man in aller Regel nicht mehr nachvollziehen konnte, was sich darin verbarg. Ob dies nun gemessen an der Priorität der Arbeit, die hier verrichtet wurde, angemessen war, darüber ließ sich wahrlich streiten. Doch in erster Linie verspürte es seinen ganz eigenen Charme. Nicht zuletzt befanden sie sich im Moment in Sphären, die manche auch als den "wilden Raum" bezeichneten - und damit meinte die Rear Admiral, die gerade in die Stille hinein gefragt hatte, gewiss nicht das Labor."Ja. Ja, Miss Hawes! Wir haben es. Wir haben es gelöst. Es ist atemberaubend", antwortete Petty Officer Avalanche hektisch und mit ausufernder Begeisterung als er noch während seiner Begrüßung von seinem Stuhl aufsprang. In seiner Hektik vergaß er das PAD, welches bis eben noch auf seinen Schoß verweilte und nun krachend auf den kalten Laborboden gelandet war.
Dass seine Begrüßung, oder der Fakt, dass er Rear Admiral Hawes befohlen hatte herzukommen, so gar nicht dazu passte, wie man sich einer Rear Admiral gegenüber zu verhalten hatte, ließ ihn offensichtlich kalt - und Hawes auch. Im Gegenteil sogar. Es machte für sie immer vieles leichter, wenn man sie "normal" behandelte. Und so schmunzelte sie über das Verhalten des manchmal sehr exzentrischen Petty Officers, gleichsam jedoch stieg Neugierde und das Interesse über den verkündeten Erfolg ins unermessliche. Während Avalanche sein PAD mit leicht zittrigen Händen aufhob, positionierte sie sich bereits hinter ihm.
Er räusperte sich und bekämpfte merklich seine Aufregung. "Also...", hob er an und fing an auf seinem PAD in einstudierter Manier Daten aufzurufen. Ein Dokument mit Graphen, Tabellen und einigen Paragraphen an Text kam auf dem - trotz des Sturzes - unbeschädigten Display zum Vorschein: "Es ist ein Mineral." beendet er schließlich seinen Satz knapp. Eine Mischung aus Verwunderung und Erstaunen spielte sich auf dem Gesicht der Rear Admiral ab. Mit gehobenen Augenbrauen und leicht geöffneten Mund tritt sie näher an den Tisch, an dem der Petty Officer saß, und mustert die versiegelten Schalen mit einzelnen Proben. Erkennen konnte sie nichts. "Wir haben das Blut unserer Infizierten analysiert und auch die wenigen Proben, die wir von den Leichen der Andorra entnehmen konnten. Es ist ein Mineral. Sorgsam aufbereitet. Einen Zustand, den wir so in Natura noch nicht entdecken konnten", erklärt Avalanche weiter, streift sich dabei durch sein angegrautes leicht fettiges Haar und starrt ohne Unterlass auf die Proben vor sich. Es schien fast als würde er aus einem Gedächtnisprotokoll zitieren. Vielleicht tut er das sogar, überlegt sich Hawes. Er wird sich bereits viele Gedanken gemacht haben. Sonst hätte er sie nicht allzu fordernd hier in die Laboratorien beordert."Wir atmen es unbemerkt ein. Es bindet sich an Rezeptoren unserer Nervenbahnen und löst von dort die neurotischen Effekte aus, die wir an unseren unfreiwilligen Probanden feststellen durften. Und die Logbücher der Andorra geben Hinweis darauf, dass auch sie von den Effekten beeinträchtigt wurden."
Hawes' ungleiches Augenpaar leuchtet bei Avalanches Ausführungen auf. Sie greift nach einer der Probenschälchen und hält sie nun genauer vor die Augen. Obwohl die silbrig haarige Kommandantin durch ihren Werdegang bereits so einiges an medizinischem Wissen gesammelt hatte, schien es fast surreal, dass der Fleck geronnenen Blutes in dieser Schale etwas enthielt, was solches Leid anrichten konnte. Avalanche berichtete indes weiter und wurde immer und immer ausschweifender bis Camilla schließlich ihre Hand hob, um ihm Einhalt zu gebieten: "Haben wir ein Gegenmittel?" fragte sie ruhig und legt das Schälchen wieder vorsichtig auf den gefliesten Tisch ab. Die Mimik des Xenobiologen verfinsterte sich ein wenig, dann schüttelte er den Kopf. "Nein, Ma'am. Der Körper schafft es innerhalb eines halben bis ganzen Standardtag das Mineral wieder selbstständig abzustoßen. Es sei denn, Sie bleiben der einer kontaminierten Quelle ausgesetzt." Die Mundwinkel der Rear Admiral zuckten daraufhin Richtung Boden, beließ es allerdings vorerst bei einem Schweigen. Sie merkt, wie Avalanches Bein noch immer nervös zitterte und durchdringt die Stille im Raum dann mit einer weiteren Frage: "Wir kennen das Mineral also. Nur in diesem Zustand der Veredlung nicht. Schätzen Sie, wir könnten es selbstständig synthetisieren?". Mittlerweile hatte sie sich auf die andere Seite des Tisches gesellt und fixiert den nervösen Forscher vor sich mit ihren Augen.
Avalanche antwortete diesmal nicht direkt. Es schien als würde er sich seine Antwort gut überlegen. "Wenn wir die Prozesse auf Otrage, die zu diesem Ergebnis führen, weiter erforschen... Ja, Ma'am. Dann könnten wir dies selbstständig herstellen. Aber wieso?" Sie reckt lächelnd den Hals und wendet sich dann zum Gehen, während Petty Officer Avalanche sie noch immer fragend anschaut.
"Es ist wichtig, seinen Feinden immer ein Schritt voraus zu sein." antwortet sie ihm und verschwand in der Tür.