Krankenstation
Früher Abend
Mit Almeida, Shir
Die Sterne flogen über Shir hinweg und es war als würden sich immer wieder verschiedenen Szenen der letzten Stunden, der letzten Jahre ... ja ihres ganzen Lebens vor ihr abspielen. Das Brüllen in ihrem Innern war erloschen, die Stimmen waren verhallt und zurück blieb eine tiefe Leere.
Oft blieben ihre Gedanken an dem Punkt hängen, wo ihr Geist das erste Mal gebrochen wurde. Damals in der Folterkammer. Sie hatte diesen Raum betreten und eine neue Frau, ein neues Wesen hatte ihn wieder verlassen. Sie war damals die etwas tolpatschige wilde Pilotin gewesen, die sich auf das Abenteuer mit der Explorerflotte eingelassen hatte. Eine junge Frau, die geliebt und gekämpft hatte und nicht zu selten auch mal aufbrausend war. Doch danach kam Rachsucht, Hass, unbändiger Zorn und Kaltherzigkeit hinzu.
Sie erlebte diese brennende Wut das erste mal in dem Dorf. Die Wut verzerrte ihre Gedanken, gab ihr einen Weg. Ein Weg ohne Kompromisse, ohne Gnade. Noch heute spürte sie die Hitze der Flammen, hörte die Schreie der Kinder und den Blick Kzinda Xess'. Ihrer Kameradin und Freundin, die mit angesehen hatte, wie Shir ihr Volk niedermachte.
Die Bilder flogen weiter und Shir saß wieder mit ihrem alten Freund und Vertrauten an einem Tisch. Sie hatten damals überlegt eine ernsthafte Verbindung einzugehen, hatten sich öfters privat getroffen. George hatte ihr Rückenhalt in der Navy gegeben ...
Aber sie konnte ihm einfach nicht von dem erzählen, was aus ihr geworden war. Wie sollte er sie noch respektieren? Eine Frau, die gebrochen und gedemütigt wurde? Eine Frau, die zu unkontrollierbaren Ausbrüchen neigte? Nein sie konnte es ihm nicht sagen. Es war eine ganz andere Person, der sie sich öffnete. Oft sagte sie sich selbst, dass sie es gestehen musste, dass es ein Geständnis aus der Not heraus war, um zum Militär zurückzukommen. Erst viel viel später erkannte sie ihre eigene Lüge. Es war Vertrauen. Sie vertraute Acido einfach mehr. Sie hatte ihm schon immer vertraut. Sie vertraute auf seine Weisheit, seine Entscheidungen und dass er sie auffagen würde, wenn sie einbrach. Er war schon vom ersten Tag in der Navy ihr Fangnetz gewesen, holte sie aus ihrem Jäger, wenn sie angeschossen im Raum trieb und munterte sie wieder auf als Sie ihre ersten Kameraden verlor. Acido Hailfire war der Mann gewesen, dem sie schon immer mehr als jedem anderen Vertraute.
Und doch sollte die Zukunft sich verdunkeln. Der Zwischenfall mit den Nanobots hatte zur Folge, dass ihre Wutanfälle stärker wurden und häufiger auftraten. Die dunkle Macht der Bots verstand es von ihren Gefühlen Besitz zu ergreifen und diese zu nutzen. Lange gelang es ihr eine vage Balance aufrecht zu erhalten, doch dann sollte sich alles ändern. Acido wand sich von Casston und dem Imperium ab. Stets in Angst vor Verrätern, begann sich sein Verstand zu vernebeln. Er schloss sie aus, er ließ sie inhaftieren. Ihre Crew misstraute ihr, Sie konnte nicht mehr klar zwischen Freund und Feind unterscheiden. Wer war der Feind? George? Was hatte er ihr je getan? Casston? Hatte sie nicht ihm und dem Imperium die Treue geschworen? Die Ensiferum? War das nicht ihre Familie?
Als ihre sichere Umgebung Stück für Stück zusammenbrach, brachen auch ihre geistigen Schutzwälle langsam in sich zusammen und immer öfter gewannen die Bots überhaupt über ihre Emotionen und die "Gebrochene Shir" wurde langsam zu einem regulären Gast. Ja manchmal war es sogar einfacher ihr die Entscheidungen zu überlassen. Entscheidungen, die keine Beweggründe hinterfragten, sondern einfach mit voller Brutalität handelten. Es war einfach kein Mitgefühl zu haben.
Und dann war Acido plötzlich weg ... Es gab wieder einen Verräter und der Archduke Admiral zog sich zurück, ohne Shir ins Vertrauen zu ziehen. Der Bruch war vollzogen und es gab nur noch ein Wunsch in der Line Captain. Den Wunsch den wahren Verräter zu finden und vor den Admiral zu bringen. Den Wunsch ihre Treue zu beweisen. Es war an der Zeit für die "Gebrochene Shir" zu übernehmen und alle notwendingen Mittel einzuleiten. Shir griff Turon an, in der Hoffnung, dass der Verräter auf ihr doppeltes Spiel hereinfallen würde... Es war nur logisch gewesen, sie musste drastisch handeln, um ihn von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen um ihn aus der Reserve zu locken. Jeder an Bord wusste, dass Shir ein gutes freundschaftliches Verhältnis zu Turon hatte und so war es Sie, die sie angreifen musste. Shir hatte schon lange Vynmorr im Visier und so arrangierte sie alles. Der gefakte Angriff auf das System, das Gefangen Nehmen der Piloten. Die Befragungen und dann die erste Täuschung durch ihre Offiziere, die den "Gefangen" ihre Hilfe anboten als mutmaßliche Helfer des Imperiums. Aber natürlich würde ein Meisterspion Bradlys all das durchschauen und all das war nur eine Ablenkung. Eine billige Tuschemalerei auf dem eigentlichen Gemälde. Shir war das Kunstwerk. Sie würde sich das offene Misstrauen, dass ihr von Acido und Krason ausgesprochen wurde zu Nutze machen und den Verräter täuschen und so auf ihre Seite ziehen. Sobald er ihr gestanden hatte, hätte sie ihn zu Acido gebracht. Hätte die Dinge wieder in Ordnung gebracht ... Doch es kam alles ganz anders und so lag sie hier und musste mit Ansehen, wie Acido ihr persönliches PAD überprüfte. Hatte er sich nicht gefragt, warum er darauf Zugriff hatte, wo sie doch Vorreiter in DNA-Erkennungsanalysen war? Hatte er nicht ein gleiches PAD, dass nur er bedienen konnte?
Ein Träne rann ihre Wange herunter und als sie ihren Kopf Richtung Acido drehte entrang sich ihrer trockenen Kehle ein leiser Schluchzer, der ihren Körper etwas schüttelte. "Bist du wach?" sprach der Archduke Admiral sie an. Shir erwiderte seinen Blick für eine lange Zeit. Weitere Tränen rannen ihr übers Gesicht. Langsam Träne für Träne, bis sie versuchte ihre zittrige Stimme zu finden "Warum hast du mir nicht vertraut?" stellte Sie die Frage in den Raum, die Sie sich seit so vielen Monaten stellte. Die Frage, die Sie aufgrefressen hatte und jetzt wo Krason Sie auf eine Reise zu sich selbst geschickt hatte, jetzt wo der Dunkle Lord die Bots bekämpft hatte, nur noch leer und traurig im Raum schwebte.